ADS / ADHS und Borderline
Ein ADHSyndrom kann gleichzeitig mit einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ, kurz Borderline-Persönlichkeitsstörung, auftreten. Während die klassischen ADHS-Symptome Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität nicht zu den typischen Borderline-Merkmalen zählen, gibt es im Hinblick auf Stimmungsschwankungen, Emotionsregulationsprobleme, emotionale Stressüberempfindlichkeit, hitziges Temperament und impulsives Verhalten deutliche Überlappungen zwischen beiden Erkrankungen.
Diese Symptome sind bei der ADHS je doch schwächer ausgeprägt und eher als beständige Persönlichkeitsmerkmale vorhanden, während sie bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung als plötzliche, heftige Reaktion auf emotionalen Beziehungsstress auftreten. Dieser Stress entsteht z. B. dadurch, dass sich die Betroffenen gekränkt, abgelehnt, ausgeschlossen oder verlassen fühlen.
Die Emotionsregulationsschwierigkeiten führen bei Borderline, anders als bei der ADHS, typischerweise zu einer starken inneren Anspannung, die sich in impulsiver Selbstverletzung und Suizidalität entladen kann oder in einer verzerrten Zeit-, Raum- und Körperwahrnehmung (Dissoziation) mündet. Sowohl Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung als auch mit ADHS berichten häufig von einem Gefühl innerer Leere – jedoch mit unterschiedlicher Bedeutung. Während Borderline-Betroffene dieses Gefühl oft mit Einsamkeit, Verlassenheitsängsten und einem tiefen emotionalen Schmerz verbinden, erleben ADHS-Betroffene Leere eher als Langeweile, innere Unruhe oder das Gefühl, nicht ausreichend beschäftigt oder geistig stimuliert zu sein.
Wenn Symptome einer Borderline-Persönlichkeitsstörung – wie starke Stimmungsschwankungen und emotionale Verletzlichkeit – mit typischen ADHS-Merkmalen wie Konzentrationsproblemen und Desorganisation zusammentreffen, entsteht ein besonders herausforderndes Störungsbild. Die Fähigkeit zur emotionalen und verhaltensbezogenen Selbstregulation ist in solchen Fällen häufig stark eingeschränkt. Dies kann zu impulsiven, selbstschädigenden oder auch fremdaggressiven Handlungen führen.
Das Risiko für eine begleitende Suchterkrankung ist bei dieser Komorbidität noch deutlich höher als bei einer einzelnen der beiden Störungen. Substanzen wie Alkohol oder Cannabis wirken bei ADHS häufig reizdämpfend, während sie bei Menschen mit Borderline kurzfristig zur emotionalen Stabilisierung beitragen können – was die Gefahr einer Abhängigkeitsentwicklung zusätzlich verstärkt.
Für eine zielgerichtete Behandlung ist es essenziell, zu einer klaren Diagnose zu gelangen. Die Effizienz von Medikation und/oder Psychotherapie kann erst greifen, wenn die zugrundeliegende Störung identifiziert wird.