ADS / ADHS bei Frauen

„Die gut organisierte Fassade – und das ständige innere Strudeln: Warum ADHS bei Frauen nicht immer laut ist und übersehen wird.“

ADS / ADHS bei Frauen

Unerkanntes ADS / ADHS bei Frauen

Wie deutlich unterdiagnostiziert ADHS bei Frauen ist zeigt sich, wenn man die Diagnosequote für Jungen im Vergleich zu Mädchen betrachtet, die bei 7 zu 1 liegt. Dass die Fakten aber ganz anders liegen wird deutlich, wenn man die Statistik für das Erwachsenenalter betrachtet, die belegt, dass  Frauen und Männer im Verhältnis von 1 zu 1 positiv getestet werden. Diese Fehleinschätzung hat zur Folge, dass die meisten betroffenen Frauen das Erwachsenenalter erreichen, ohne zu wissen, warum ihr Leben so anstrengend ist und sie immer wieder an ihre Grenzen stoßen.

Dass ADHS bei Mädchen häufig unerkannt bleibt hängt damit zusammen, dass bei Mädchen die hypoaktive ADS deutlich häufiger auftritt als die hyperaktive ADHS. In der hypoaktiven Ausprägung sind Verträumtheit, Langsamkeit, Unsicherheit die Kernmerkmale, während die hyperaktive Variante durch Impulsivität, motorische Unruhe, oppositionelles Verhalten auffällt. Eine Differenzierung auf emotionaler Ebene bringt den Unterschied besonders deutlich zum Ausdruck: Der Hyperaktive bebt vor Wut, die Hypoaktive steht unter Tränen. Durch diese Unterschiede sind die Anzeichen bei Jungen nach außen hin auffällig und werden als störend wahrgenommen, während Mädchen eher zurückhaltend und angepasst wirken. Schwierigkeiten, die bei Mädchen durch ihre geistige Abwesenheit oder ihre hohe emotionale Reagibilität entstehen, werden oftmals von den betroffenen Mädchen selbst als persönliche Schwäche internalisiert und von Außenstehenden als geschlechtsspezifische Personenmerkmale bagatellisiert. Versagensängste, ein geringer Selbstwert und ein Gefühl der Andersartigkeit begleiten die betroffenen Mädchen auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden. Während der Pubertät und später in den Wechseljahren werden die Symptome  noch durch hormonelle Einflüsse verstärkt.

Frauen fühlen sich eher als Männer gezwungen, sich den Erwartungen der Gesellschaft anzupassen und ihnen gerecht zu werden.  Die dafür erforderliche Kompensations- und Anpassungsleistung erfordert viel Energie – ein Grund dafür, warum Frauen häufig unter chronischer Erschöpfung leiden oder kaum noch Ressourcen für eine aktive Familien- und Freizeitgestaltung zur Verfügung haben. Die meisten ADHS betroffenen Frauen leiden unter chronischer Erschöpfung, psychischem  Stress, Angst und Depressionen und sind dadurch anfällig für ungünstige Beziehungsdynamiken und Eheprobleme.

Häufig werden die Symptome mit dem Wegfall von Strukturen und Unterstützungssystemen wie Schule oder Elternhaus so dominant, dass das Umfeld und auch die Betroffenen selbst davon überrascht und überfordert sind. Die Selbstorganisation,  die Alltagsbewältigung und selbstbestimmte Lebensführung stellen eine kaum zu bewältige Herausforderung dar. Die Erfahrung, dass es anderen deutlich leichter fällt, ihr Leben zu organisieren, konfrontiert jedes Mal aufs Neue mit dem Gefühl der Unzulänglichkeit. Gerade im Arbeitsleben oder im Studium fallen Schwierigkeiten in den Bereichen Fokussierung, Priorisierung, Motivation oder  Zielgerichtetheit und Effizienz besonders nachteilig ins Gewicht. Misserfolge und Frustrationen führen zu unabgeschlossenen Bildungs- oder Erwerbsverläufen, zu Suchtmittelkonsum oder psychischen Begleiterkrankungen.

Eine besondere Situation treffen undiagnostizierte Frauen an, die hochfunktional sind und akademischen und beruflichen Erfolg haben. Die oftmals große Diskrepanz zwischen ihren intellektuellen Fähigkeiten auf der einen Seite und ihren emotionalen sowie funktionalen Schwierigkeiten auf der anderen Seite ist  für Betroffene selbst nicht erklärbar und führt nicht selten zu einer erhöhten Ängstlichkeit und Unsicherheit. Um Symptome zu kaschieren, kompensieren sie dies auf Kosten ihrer körperlichen und psychischen Gesundheit; Perfektionismus und hohe Leistungsbereitschaft ist bei den Betroffenen weit verbreitet. Je erfolgreicher dieses Kompensationsverhalten, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass der Ursprung ihrer psychophysischen Probleme weiterhin unentdeckt bleibt. Daher sind Frauen mit ADHS, die hochfunktionsfähig sind, gefährdeter an Burnout und anderen stressbedingten Störungen zu erkranken.

Unerkanntes ADHS und Fehldiagnosen haben häufig zur Folge, dass Mädchen und Frauen eine adäquate, störungsspezifische Behandlung vorenthalten bleibt.  Dabei stellt bereits eine gesicherte Diagnose eine immense Entlastung dar, bereits bevor überhaupt eine Therapie begonnen wurde. Im Rahmen einer Therapie können die betroffenen Frauen dann lernen, sich selbst mit ihrem ADS anzunehmen und sich zu verstehen. Strategien im Umgang mit den resultierenden Schwierigkeiten können zu einem verbesserten Funktionsniveau und einer emotionalen Stabilisierung beitragen. Gegebenfalls kann eine medikamentöse Behandlung eine psychotherapeutische Behandlung sinnvoll ergänzen.

Wie unterscheiden sich ADHS-Symptome bei Männern und Frauen?

Die Symptome von ADHS unterscheiden sich bei Männern und Frauen oft deutlich – nicht, weil die Störung selbst unterschiedlich ist, sondern weil sie äußerst unterschiedlich wahrgenommen wird. Die nachfolgende Gegenüberstellung einiger weiblicher und männlicher Merkmale zeigt, warum ADHS bei Frauen häufig später oder gar nicht erkannt wird, während Männer häufiger und früher diagnostiziert werden. Alle Merkmale können aber sowohl bei Männern als auch bei Frauen auftreten.

Frauen zeigen eher….

  • Innere Unruhe statt äußerlicher Hyperaktivität
  • Tagträumerei statt Fokussierungsprobleme
  • Emotionale Überwältigung und starke Stimmungsschwankungen statt Impulsivität
  • Perfektionismus als Kompensationsstrategie statt Flüchtigkeit, Ablenkbarkeit
  • Selbstzweifel, Überanpassung, soziale Unsicherheit statt Rebellion und Regelbrüche
  • Chronische Erschöpfung statt Überaktivität
  • Hohe Anpassungsbereitschaft und Maskierung statt Störung des Sozialverhaltens


Solche Persönlichkeitsmerkmale ADHS betroffener Mädchen werden vom Umfeld nicht als störend erlebt und die Mädchen gelten als unauffällig und angepasst.

Verstärkt wird dieser Effekt noch durch die häufig von den betroffenen Mädchen eingesetzten Kompensationsmechanismen. Sie versuchen durch Hilfsbereitschaft, Kreativität (malen, phantasieren) und Leistungsbereitschaft ihre Schwächen auszugleichen und verstärken damit Merkmale, die als geschlechtsspezifisch fehlinterpretiert und nicht im Zusammenhang mit neurokognitiven Abweichungen eingeordnet werden.

Die ständige Regulation und mentale Anstrengung, die es erfordert, unauffällig zu bleiben und den Erwartungen und Leistungsansprüchen zu genügen, erschöpft und frustriert. Das gleichzeitige Gefühl, mehr Anstrengung investieren zu müssen als andere und dennoch das eigene Potenzial nicht ausschöpfen zu können, wird als entmutigend erlebt und nährt die ohnehin vorhandenen Selbstzweifel. 

Über die Dauer der vielen Lebensjahre, in welchen ADHS unerkannt bleibt, entwickeln sich nicht selten psychische Erkrankungen, die nicht der Ursprung, sondern die Folge der erlebten Belastung und des inneren Leidens sind.

ADS / ADHS bei Erwachsenen

Eine unerkannte ADHS kann zu erheblichem Stress und innerem Leid führen – oft bleibt dies jedoch lange unbemerkt, weil Betroffene ihre Schwierigkeiten im Alltag, im Beruf und in Beziehungen geschickt ausgleichen und verbergen.

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